You are currently viewing „Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen“ (Hermann Hesse)

„Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen“ (Hermann Hesse)

 

Dies ist für mich einer der schönsten Sinnsprüche von Hermann Hesse.

Die Intention liegt in der zweiten Satzhälfte (nicht nur, weil es der Hauptsatz ist). Gegen den Strom zu schwimmen, um zu einer Erkenntnis (dem Zugang zur Quelle bzw. dem Ursprung von Etwas) zu gelangen, und somit auch gegen die gesammelten Kräfte, die in einem solchen Strom einer (Wasser)Menge verborgen sind.

Dieser Strom des Flusses beschreibt übertragen auf unser menschliches Verhalten wohl am ehesten die Phänomene des Konformitätsdrucks oder Anpassungsbestrebens. Den Mainstream eben. Und ebenso unsere bewussten oder unbewussten Wünsche nach (Systemerhaltung und) Harmonie. Das klingt für Manche vielleicht so, als wäre der Strom etwas Negatives, doch dieser Strom des Flusses wird von Hermann Hesse gar nicht kritisiert – im Sinne von „sperrt Euch Alle gegen dem Strom des Flusses, haltet ihn auf“. Nein, die Hauptbewegung (der großen Menge) ist naturgegeben und grundsätzlich ist das gut so, dass der Fluss nunmal in eine Richtung fließt – Hermann Hesse wäre als Schriftsteller auch in der Lage gewesen, es anders auszudrücken, wenn er die Botschaft senden wollte, dass der Strom des Flusses in eine falsche Richtung führte. Es ist kein politisches, zeitgeschichtliches oder philosophisches Gleichnis dafür, dass etwas „schief läuft“ oder falsch fließt.

Ich denke, worum es Hermann Hesse hier geht, ist, die Zweifler und Kritiker unter uns grundsätzlich zu bestärken und ihnen Mut zusprechen. Auf ihrem vergleichsweise immer viel schwereren Weg.

Zweifel sind wichtig und auch systemrelevant. Wir wissen ja, dass der Zweifel eine der Grundlagen und -haltungen der Wissenschaft ist. Selbst wenn wir unsere Zweifel nach eingehender Prüfung verwerfen könnten, festigte dies ja auch ein Ergebnis oder eine Hypothese, was also ebenfalls gut wäre.

 

Der Mut der Zweifler und der Gleichmut der Nichtzweifler

Ich denke bei diesem schönen Sinnspruch darüber nach, wie viel Kraft es braucht, sich gegen den Strom zu bewegen.

Wenn man es auf die uns Menschen so beliebte Dualität herunterbrechen will, klingt hier eine unserer urspünglichen Grundbewegungen an, nämlich das Spiel der sich scheinbar widersprechenden Kräfte von Autonomiebestreben und Harmonie-(Bindungs)wunsch. Ich will hier ja nur Gedanken anregen und nichts Besonderes behaupten – doch denke ich, „Kritiker“ haben es meist schwerer als „Harmonisierer“, und sind dabei im Diskurs für unsere Entwicklung so notwendige Regulator:innen.

 

Wer definiert die Grenzen, wo Etwas gilt oder nicht mehr gilt – und damit das System?

Auch die Kunst speist sich grundsätzlich weniger aus einer harmonischen Bewegung, als aus der gegenläufigen, kritischen. Oder glauben Sie, die Mehrheit unserer Gedichte, Lieder, Bilder, Theaterstücke etc. handelt davon, dass Alles gut ist? Alle Handelnden sind gesund, friedlich, glücklich.. nix (Schlimmes) ist passiert? In der klassischen Dramaturgie wäre das die Vorbereitung für einen bald hereinbrechenden Horror.

Auch aus den Gesetzen der Kybernetik wissen wir, dass jedes System durch sein beweglichstes Element definiert wird. Und in der Theorie der Systemkonzepte hören wir hierzu von den systemverändernden Randfaktoren. Soziologisch betrachtet berühren wir hier die sehr interessante Frage, was „normal“ ist (Systemharmonie). Und wodurch das definiert wird, wodurch sich zudem Veränderungen im Laufe der Zeit ergeben.

 

Nur Mut

Ja, Kritiker sind wichtig. Künstler auch. Auch wenn Du beispielsweise ein Ziel verfolgst, das von den Anderen (dem Strom) als unerreichbar oder unangemessen betrachtet wird, brauchst Du den Mut, Dich gegen die Strömung des bisherigen, konventionellen Wissens zu stellen. Du musst manchmal auch bereit sein, Risiken einzugehen und vielleicht unbequeme Entscheidungen zu treffen, um etwas Neues zu erreichen.

 

Was ist Erfolg?

Das Zitat von Hesse erinnert mich daran, dass auch der Weg zum Erfolg mit etwas Neuem – im Gegensatz zum Mainstream-Erfolg – oft steinig und schwierig ist. Aber wenn Du bereit bist, hart zu arbeiten und gegen den Strom zu schwimmen, kannst Du schließlich die Quelle erreichen und die Belohnung für die Anstrengung ernten. Es erfordert viel Kraft und Entschlossenheit, um gegen den Strom zu schwimmen und Deinen eigenen Weg zu finden.

 

So oder so ist das Hesse-Zitat eine schöne Erinnerung daran, dass es selten der leichteste Weg war, der uns zu den bedeutenden Erkenntnissen oder Erfahrungen geführt hat.